Tugend ohne Nutzen

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Adalbert Stifter, Der Nachsommer

Gott hat uns auch nicht bei unseren Handlungen den Nuzen als Zweck vorgezeichnet, weder den Nuzen für uns noch für andere, sondern er hat der Ausübung der Tugend1 ↗  einen eigenen Reiz und eine eigene Schönheit gegeben, welchen Dingen die edlen Gemüter2 nachstreben. Wer Gutes thut, weil das Gegentheil dem menschlichen Geschlechte3 schädlich ist, der steht auf der Leiter der sittlichen Wesen schon ziemlich tief. Dieser müßte zur Sünde greifen, sobald sie dem menschlichen Geschlechte oder ihm Nuzen bringt. Solche Menschen sind es auch, denen alle Mittel gelten, und die für das Vaterland für ihre Familie und für sich selber das Schlechte thun. Solche hat man zu Zeiten, wo sie im Großen wirkten, Staatsmänner geheißen, sie sind aber nur Afterstaatsmänner gewesen, und der augenblickliche Nuzen, den sie erzielten, ist ein Afternuzen gewesen, und hat sich in den Tagen des Gerichts als böses Verhängnis erwiesen4.

S. 19

Commentaries

1

Im dichterischen Schaffen Adalbert Stifters ist die hier genannte „Ausübung der Tugend“ das tonangebende Thema. Im Blick steht dabei eine freie Selbstentfaltung des Menschen, die sich im Einklang mit einer natürlichen Ordnung der Dinge vollziehen mag. Das Wort „Ausübung“ dürfte hier zum einen soviel wie „Wiederholung“ und zum anderen soviel wie „Kraft" heißen. In Stifters Erzählungen zeigt sich, dass eine Existenz als „sittliches Wesen“ nicht durch eine festgelegte Normerfüllung zustande zu bringen ist, sondern sich jeweils und immer von Neuem der Anstrengung und dem Mühsal einer Übung aussetzen muss. Die einzigartige Konstellation jedes Augenblickes ist einmalige Gelegenheit der Wiederholung eines Anfangs aus dem Wesensgrund. Zum anderen wird deutlich, dass alle ökonomischen Verhältnisse sich in ihrer äußeren Erscheinung gemäß der Kraft innerer Entschlossenheit und Haltung eines menschlichen Gemeinwesens einregeln. Insofern dies für Stifter ein notwendiger und grundsätzlicher Zusammenhang ist, erweist sich sein Werk als eine beinahe unerschöpfliche Quelle dichterischer Fallstudien verschiedenartigster ökonomischer Sachlagen und Probleme.

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2

Das edle Gemüt erwächst nur in der steten Mühe des sich Einlassens auf die Langsamkeit des Erscheinens der Natur. Weder ist ein solche Gemüt daher selbstverständlich noch ist es jemandem einfach so gegeben. Betont werden müssen hier vor allem der „eigene Reiz“ und die „eigene Schönheit“ der Ausübung der Tugend. Damit ist gesagt, dass die Sphäre des Sittlichen keine Vermengung mit der Sphäre etwa des empfindungsmäßig Angenehmen oder Schmerzlichen erlaubt. Erinnert sei hier auch an Goethe, den Stifter ja in höchstem Maß verehrt hat. „Man sagt: Studiere Künstler die Natur! Es ist aber keine Kleinigkeit, aus dem Gemeinen das Edle, aus der Unform das Schöne zu entwickeln.“ Goethe, Maximen und Reflexionen, 242.

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3

Es zeigt sich, dass die Nutzenoptimierung weder auf individueller noch auf Gemeinschaftsebene („der Nutzen für alle“) ein tragfähiges Prinzip menschlichen Handelns sein kann. Vgl. dagegen z.B. Jevons.

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4

Was hier als Maßstab der Erfüllung, des Scheiterns oder des Ungenügens gemeint ist und wie das Perfekt zu verstehen ist, bleibt zunächst unklar und harrt einer erhellenden Erschließung.

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Key Concept

Tugend

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